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Kognitive Flexibilität

Beim Lesen eines Magazins bin ich auf einen Artikel gestossen, der die Frage nach der Ethik in der Wirtschaft zu beantworten versucht. Darin schreibt ein Wirtschaftsanwalt, dass bei der Vernachlässigung von Tugenden wie Ehrlichkeit, Integrität und fairer Umgang langfristig alle nur verlieren können.

Ein Professor der Manchester Business School konnte gar nachweisen, dass das ethische Verhalten von Unternehmen immer mehr im Fokus der Aussenwirkung steht. Schon die kleinste Übertretung allgemein akzeptierter Normen kann durch die hohe mediale Vernetzung unseres digitalen Zeitalters zum unkontrollierten „Shit-Storm“ anwachsen. Das Unwort „Reputationsschaden“ hängt wie ein Damoklesschwert über so mancher Manager-Position.

Aber warum verhält man sich überhaupt „unethisch“? Laut Verhaltensökonom Dan Ariely liegt der Grund in der „kognitiven Flexibilität“ welche uns Menschen eigen ist. Auf Deutsch: wir sind sehr gut darin, uns selbst zu täuschen. So können wir unser unentdecktes Fehlverhalten für uns so zurechtbiegen, dass unser inneres Alarmsystem verstummt. Wird unser Fehlverhalten aber doch entdeckt, reisst es nicht nur uns sondern zugleich auch das kollektive Wertesystem in eine Abwärtsspirale. Ganz im Stile von, wenn der oder die darf, darf ich auch. Aber gibt es überhaupt so etwas wie eine ethische Norm?

Der Wirtschaftsanwalt Simon Edwards schreibt, dass es drei Dinge braucht, um nicht ethisches Verhalten in den Griff zu bekommen: Einen Grund, gut zu sein. Unterstützung um gut zu sein. Gnade, wenn wir trotzdem falsch handeln. Was aber „gut“ ist, kann auf zweierlei Weise definiert werden. Man stützt sich entweder auf ein externes Wertesystem ab wie z.B. die zehn Gebote oder aber die Mehrheit der involvierten Personen geben an, was richtig oder falsch sein soll.

Letzteres ist die Basis unserer Demokratie und der Bogen von der Wirtschaft hin zur Politik somit gespannt. Auch hier ist ethisches Verhalten gefragt. Die Mehrheit entscheidet an der Urne oder der Versammlung, was gilt und was nicht mehr gilt. Doch das Problem ist, dass auch die Mehrheit zuweilen falsch liegt. Wie war das Kollektiv früher doch davon überzeugt, dass z.B. die Erde eine Scheibe und als solche Zentrum des Universums ist.

Das wirft die Frage auf, ob künftige Generationen widerlegen werden, wovon wir heute felsenfest überzeugt sind. Wir tun daher gut daran, die eingangs erwähnten Tugenden auch in der Politik und im Leben allgemein zu wahren. Ich soll und darf meine Meinung haben und diese Vertreten, aber Personen anderer Meinung zu denunzieren – woher nehme ich die ethische Berechtigung für ein solches Verhalten? Ist es gut, nur weil es alle zu tun scheinen? Darum einmal ein grosses Merci an all die ehrlichen, integeren und fairen Menschen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Danke, ringt ihr darum, gut zu sein. Danke, geht ihr mit Lob und Kritik auf Menschen zu und sucht das Gespräch. Dank euch geht es uns gut. Ihr wisst, wen ich meine – dank oder trotz unserer kognitiven Flexibilität.