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Hartnäckige Geduld

Meine Tochter liegt mir schon lange in den Ohren – sie will endlich mit mir einen Gleitschirmflug machen – und das mit zweieinhalb Jahren.
Matthias Liechti, Landratskandidat

Meine Tochter liegt mir schon lange in den Ohren – sie will endlich mit mir einen Gleitschirmflug machen – und das mit zweieinhalb Jahren. Wenn ich mit ihren Brüdern fliegen gehe, packt sie ihren Helm, stellt sich bereit und ist enttäuscht, wenn sie wieder nicht an der Reihe ist. Vor ein paar Wochen habe ich einen Ausflug unternommen. Nach Interlaken. Zum Gleitschirmfliegen. Mit der Tochter.

Die ganze Fahrt über kann sie kaum stillsitzen. Sie kommentiert alles was sie sieht. Das Glück ist ihr ins Gesicht geschrieben und wenn meine Frau oder ich sie fragen, ob sie sich freue, strahlt sie uns erst richtig an.

Am Startplatz herrschen ideale Bedingungen und so bereite ich alles vor. Sorgfältig gehe ich den Start-Check durch und setze mich dann mit meiner Tochter hin, bis Mami beim Landeplatz bereit ist. Dann ist es soweit. Ich gebe dem Schirm den Start-Impuls, wir heben ab und gleiten ruhig entlang den Bergflanken. Nach einem kurzen Flug landen wir sanft auf der Landewiese. Schon beginnt sie ihrem Mami über den Flug zu erzählen. Der Volksmund sagt nicht vergebens: «Gefreut, wie ein kleines Kind!».

Es ist motivierend, wenn wir uns für etwas eingesetzt haben und es dann endlich soweit ist. Manchmal muss viel Geduld in ein Projekt investiert oder Zusatzschlaufen in Kauf genommen werden. Wichtig ist dabei, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und vielleicht auch einmal eine erreichte Etappe zu feiern.

Auch im politischen Alltag ist «hartnäckige Geduld» gefragt. Nicht stur seinen Standpunkt vertreten, sondern in seiner Argumentation die Sichtweisen der anderen berücksichtigen. Einen möglichen Ansatz dazu bietet das Verhandlungsmodell nach Harvard. Ziel der Methode ist, eine konstruktive und friedliche Lösungsfindung mit einem Win-Win-Ergebnis für alle. Als Paradebeispiel dient dazu die letzte Orange, welche zwei Personen unbedingt wollen.

Der bewährte schweizerische Ansatz des Kompromisses wäre nun, die Orange in zwei gleiche Teile zu schneiden und beiden Personen eine Hälfte zu geben. Damit ist ihnen aber nicht gedient, sie wollen immer noch beide die ganze Orange. Würden die Parteien einander zuhören und die Motivation hinter ihrer Verbissenheit entdecken käme zu Tage, dass die eine Person einen Kuchen backen und die Schale in den Teig reiben will, während die andere Partei nur den Saft benötigt.

Natürlich mache ich mir nichts vor – nicht für jeden Konflikt gibt es eine Win-Win Lösung und der Kompromiss kommt zum Zug. Aber in der Hitze des Gefechts einen Schritt zurück zu machen um zu verstehen, warum so vehement um einen Standpunkt diskutiert wird, würde so manchen Disput entschärfen.

Aktuell zum Beispiel mit der Selbstbestimmungsinitiative. Die einen befürchten das Ende der Menschenrechte in der Schweiz und unsere wirtschaftliche Isolation, die anderen zittern vor Demokratieverlust und fremden Richtern.

Für meine Tochter ist der Fall klar – sie will selber bestimmen. Schliesslich meint sie auf der Heimfahrt: „Nomol flüge hani gseit!“.