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Peter Riebli, Landrat

Als 1. Vizepräsident ist man gehalten, sich an der Debatte im Rat nicht zu beteiligen, da die Aufgabe eine andere ist: nämlich zusammen mit dem Präsidenten den reibungslosen Ratsablauf sicherzustellen. Deshalb folgt ein etwas anderer Rückblick auf die letzte Landratssitzung. Für das Präsidium fängt der Landratstag vom Donnerstag schon am Mittwochmorgen um 8 Uhr an. Zusammen mit der Landeskanzlei wird die bevorstehende Landratssitzung detailliert vorbereitetet. Für jedes Traktandum wird kurz der erwartete Redebedarf sowie das Vorgehen bei allfälligen (Änderungs-)Anträgen diskutiert. Auch wird beschlossen, ob dem Rat eine verbundene Beratung mehrerer Traktanden beantragt wird, was diesmal beim Thema Salzgewinnung in der Rütihard, wo eine Petition, eine Interpellation sowie ein Postulat und eine Motion zur Diskussion standen, der Fall war. Dass für die Behandlung dieserTraktanden im Rat eine gute Stunde Zeit eingerechnet werden musste, dürfte keine Überraschung sein. Des Weiteren wird die Geschäftsleitungssitzung, die nach jeder Landratssitzung stattfindet, vorbereitet. Dies war diesmal insofern aufwendig, dass alleEventualitäten bezüglich dem weiteren Vorgehen in Sache „fraktionslose“ SVP Landräteangedacht werden mussten. An der Landratssitzung ist es Aufgabe des 1. Vizepräsidenten, den Rats- und Regierungsmitgliedern das Wort zu erteilen, die richtige Reihenfolge zu garantieren und die Anzahl Wortmeldungen zu kontrollieren. Hin und wieder würde man liebend gerne selber das Wort ergreifen, sei es um eine tendenziöse Aussage richtigzustellen oder der Diskussion mit einem prononcierten Votum eine andere Wendung zu geben. Aber als Vizepräsident ist man während dem Ratsbetrieb ein politischer Eunuch. Wenn die Landräte schon beim Feierabendbier sind, tagt die Geschäftsleitung des Landrates. Neben dem Präsidium sind alle Fraktionspräsidenten dabei. In dieser Sitzung werden die Protokolle der Landratssitzungen genehmigt und es wird die Traktandenliste für die nächste Landratssitzung bereinigt. Daneben werden die Delegationen an die verschiedenen Anlässe beschlossen sowie weitere für den Ratsbetrieb notwendige Entscheide getroffen. So wurde letzten Donnerstag entschieden, welche Parteien die Kommissionssitze der beiden bisherigen SVP – neu fraktionslosen – Ratsmitglieder übernehmen. Ein Entscheid, dem eine längere Diskussion voraus ging. Dabei hat sich die gute Vorbereitung vom Mittwochmorgen bestens bewährt. Temporäres politisches Eunuchentum hat auch seinen Reiz.

Peter Riebli, Landrat

Erinnern Sie sich noch, als man Ihnen als Kind den Gemüseteller mit einem nachfolgenden Dessert schmackhaft machen wollte: zuerst das Gemüse essen, dann gibt es ein Dessert. Bei Kindern funktioniert das manchmal, obwohl Kinderpsychologen davon abraten. Aber ob auch Stimmbürger auf solche Schalmeienklänge reinfallen, ist offen. Aber genau das versucht der Ständerat und die Wirtschaftskommission mit der Verknüpfung der Unternehmenssteuerreform 17 mit einer Milliardenspritze für die AHV. Mit der Verquickung zweier völlig sachfremder Geschäfte, die beide 2017 vor dem Stimmvolk Schiffbruch erlitten - die Unternehmenssteuer-Reform III und die Altersvorsorge 2020 - soll diesmal die Chance für ein Durchkommen erhöht werden. Wenn sich da die Parlamentarier nur nicht verrechnen: Zwei Kranke zu verheiraten, war noch nie von Erfolg gekrönt. Es handelt sich bei dieser Melange um einen juristisch unsauberen und erst nochschamlosen Kuhhandel. Hier werden zwei Dinge vermischt, die nicht zusammengehören. Die Vorlage verletzt eindeutig den Grundsatz der Einheit der Materie. Dieser Grundsatz zwingt die Politiker, Kompromisse innerhalb eines Sachgeschäftes zu schmieden – innerhalb der AHV oder innerhalb der Steuergesetzgebung. Deshalb ist auch der eine oder andere Kuhhandel vertrauter Bestandteil unserer Politik. Aber die Vermischung zweier völlig unabhängiger Themen ist ein der direkten Demokratie unwürdiger Kuhhandel. Irgendwo habe ich gelesen, dass sich die Schweiz von der direkten Demokratie verabschiede, wenn sie solche politischen Verklumpungen akzeptiere. Und dem ist so: In der Schweiz hat der Souverän, das Volk, das letzte Wort. Wenn der Stimmbürger allerdings seinen Willen an einer Abstimmung nicht ausdrücken kann, weil er zu zwei völlig unterschiedlichen Themen nur mit einem Ja oder Nein antworten kann, dann wird ihm dieses Recht genommen. Es ist schlicht nicht möglich, gleichzeitig über eine Steuer- und eine AHV-Vorlage abzustimmen. Wie gewichte ich ein Steuersenkungs-Nein zum AHV-Ja? Was macht man, wenn einem die Steuerreform gefällt, aber man nicht noch mehr Geld in der AHV verbrennen möchte, ohne dass strukturelle Reformen beschlossen werden? Faktisch wird einem das Stimmrecht so entzogen. Wir werden genötigt, Dingen zuzustimmen, die wir nicht wollen, nur um etwas anderes zu erhalten. Das vermeintlich raffinierte Verbinden von Themen ist schlichtweg ein undemokratischer Murks. Das würde sogar dann gelten, wenn die Vorlage zu Steuern und AHV inhaltlich überzeugen würde, was sie aber nicht tut. Weder kann die steuerliche Standortattraktivität schweizweit gesichert werden noch wird der Finanzierungsbedarf der AHV und damit die Renten gesichert, trotz hohen Zusatzausgaben des Staates und zusätzlichen Lohnabzügen für die Bürger. Aber wir müssen nicht über Details der Steuer-AHV-Vorlage diskutieren, denn aus der Fusion von zwei schlechten Vorlagen kann nichts Gutes kommen. Und sie sind offensichtlich schlecht, denn wären sie gut, müsste man sie nicht verknüpfen.